Hallo!
Vor ein paar Tagen schickte mir Kiara (ihr findet sie zum Beispiel auf Instagram oder Twitter unter @kiarannna) einen Text und ich las ihn und fand ihn gut und wichtig. Danke, dass du den Text mit mir geteilt hast!
Ich habe großartiger weise die Erlaubnis bekommen, den Text auf dem Blog mit euch zu teilen. Wenn ihr also etwas zum Thema Pen und Pumpe lesen wollt und euch schon immer gefragt habt, ob die Aussage "Einmal Pumpe, immer Pumpe" immer zutreffen muss und ihr niemals mehr wechseln dürft/ dürfen wollt, dann lest gerne weiter! Okay, ich bin jetzt ruhig, Vorhang auf für Kiara:
Achtung: ungern gehörte Meinung, denn: „Einmal Pumpe, immer Pumpe“
Vor knapp einem halben Jahr haben verschiedene Umstände und Entscheidungen dazu geführt, dass ich nach mehr als vier Jahren mit Pumpentherapie wieder zu Pens umgestiegen bin. Kommentare wie: „aber du weißt, dass eine Pumpentherapie die bessere Therapie ist?“, „eine Pumpe kommt einer funktionierenden Bauchspeicheldrüse viel näher“‚ „sicher, dass du dich jedes Mal spritzen willst?“ sind nur ein Ausschnitt der Reaktionen die ich auf meine Umstellung bekam. Nicht nur das, es ist auch die eine allgemeingültige und gängige Meinung, die durch die Diabeteswelt kursiert. „Einmal Pumpe, immer Pumpe“, „Mehr Lebensqualität mit Insulinpumpe“. Das ist Gesetz. Aber warum? Warum muss eine Entscheidung die ich mit 16 getroffen habe, auch für mein 21-jähriges Ich gelten?
Heute hatte ich meinen Quartalstermin bei meinem Diabetologen. Auch wenn mein Arzt und ich mittlerweile eigentlich nur noch auf die ‚time in range‘ (Zeit im Zielbereich) schauen und versuchen dem HbA1c kein Gewicht zu geben, wird der Langzeitwert natürlich gemessen. Und was soll ich sagen, mein HbA1c hat sich seit meinem Wechsel konstant gebessert und ist jetzt an einem Punkt an dem er seit zwei Jahren nicht mehr war. Klar kann ich jetzt bei den verschiedensten Faktoren nach einer Ursache dafür suchen. Jede Person mit Diabetes weiß, was alles Einfluss auf den Blutzucker haben kann.
Mein Zyklus ist im Moment so unregelmäßig und unvorhersehbar, wie gute Entscheidungen in der deutschen Politik, mein Stresslevel so hoch wie die Männerquote in Führungspositionen und meine Energie, mich jeden Tag bewusst um meine Blutzuckerwerte im Alltag zu kümmern, läuft auf Stromsparmodus einer fast leeren Powerbank. Alles erstmal Faktoren, die meiner Erfahrung nach, bei mir, nicht zu irgendeiner Verbesserung meines Langzeitwertes führen. Was ist es dann? Seid nicht enttäuscht, wenn ich euch jetzt sage, dass es auf diese Antwort, wie auf so vieles, keine pauschale Antwort geben kann.
Trotzdem ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind und ein kleiner Liebesbrief an die Pentherpaie: Ich habe das Gefühl, dass ich durch den Umstieg auf die ICT viele Entscheidungen im Alltag bewusster treffe und vielleicht mein gesamter Umgang mit Diabetes wieder bewusster geworden ist. Einen Bolus mit einem Gerät abzugeben ist ein anderer Akt, vielleicht nebensächlicher, als meinen Pen aufzudrehen, KH zu berechnen und eine passende Spritzstelle für jede Mahlzeit zu finden. Außerdem: keine nervigen Pumpenalarme mehr während Vorlesungen wegen einer zerknickten Kanüle. Wie sehr hat sich das monotone Piepen meines PDMs in meinen Kopf gepflanzt, dass nie zu einer passenden Situation kam. Malt euch ungelegene Situationen aus, ein Podalarm war bestimmt dabei. Und Raum und Zeit für einen sofortigen Podwechsel habe ich im Alltag leider selten, vorausgesetzt, ich hatte die Wechselutensilien dabei.
Und auch packen ist leichter geworden! Meine aktuelle Lebenssituation verlangt es, dass ich fast wöchentlich meine Sachen packen muss, um von einer in die andere Stadt zu fahren. Mir ist schnell aufgefallen wie viel weniger Gepäck ich durch die Pens benötige. Statt immer, je nach Zeitraum, ein paar Ersatzpods und alles was dazugehört, mit mir rumtragen zu müssen, habe ich eine Ersatzinsulinampulle und ein paar Pennadeln dabei, das wars! Erleichternd!
Ich könnte die Liste jetzt weiterführen, genauso wie ich Fakten benennen könnte die ich an der Pumpentherapie vermisse. Aber darum geht es hier nicht. Fakt ist: Nur weil ich mich zum jetzigen Zeitpunkt entschieden habe wieder zu spritzen, muss das nicht für die gesamte Zukunft gelten. Vielleicht steige ich auch nächstes Jahr wieder auf ein Pumpenmodell um, welches sich für mich richtig anfühlt.
Es ist wie mit so vielen Dingen im Leben: Menschen haben eine vorgefertigte Meinung, die über alles gestülpt wird und überall passen muss. Eine Vorstellung, wie etwas zu laufen hat, eine Theorie, die ohne jegliches hinterfragen auf die Praxis adaptiert wird. Aber wir leben alle in verschiedenen Lebensrealitäten, haben einen unterschiedlichen Alltag und diverse sonstige Laster mit uns rumzutragen. Wir sind Individuen, mit unterschiedlichen Körpern, unterschiedlichen Bedürfnissen. Was bringt es, irgendwem von uns eine Insulintherapie als besser oder schlechter darzustellen? Was bringt es uns, egal in welchem Lebensbereich, zu pauschalisieren? Ich möchte keine Diabetestherapie, die irgendwie meinem Alltag aufgezwungen wird, in der Hoffnung, dass sie passt. Ich möchte eine Therapie, die ich mitformen kann, die sich mir fügt und die sich eben als die richtige Lösung für mich (!) darstellt. Insulinpumpen haben den Ruf, die eine Lösung aller Probleme zu sein, wenn du dich einmal an die Lebensqualität mit einer Pumpe gewöhnt, wirst du sie nie wieder ablegen wollen.
Ich habe im Moment mit Sensor und Pens einen guten Weg gefunden Diabetes als ein Puzzleteil meines Alltags zu sehen. Hört bitte auf zu denken, es gebe ‚die eine richtige Lösung‘ für uns alle. Nein, gibt es nicht, gibt es nie. Was für mein 16-Jähriges Ich gepasst hat, muss nicht für die 21-Jährige Kiara stimmen. Meine hellblauen Chucks, die ich mit 16 getragen habe passen auch nicht mehr, dafür habe ich jetzt rosa Chucks und wer weiß, vielleicht irgendwann mal wieder welche in hellblau.