Dienstag, 16. Mai 2017

Was kostet mich meine chronische Krankheit?

Ich meckere viel, aber ihr könnt euch drauf verlassen, dass das hier immer Meckern auf hohem Niveau ist und ich ganz genau weiß, wie gut wir es hier eigentlich haben mit unserer Versorgung.
Gestern ging es darum, dass der Diabetes eine chronische Krankheit ist, die uns gerne mal mit unerwarteten Überraschungen nerven kann. Viele von euch werden mir da sicher zustimmen können.

Die Alltags-Kosten meines Diabetes allerdings überraschen mich da schon weniger. Ich weiß, was ich bezahlen muss, wenn ich in die Apotheke gehe und mir mein Insulin abhole und ich weiß, was ich zuzahlen muss, wenn eine neue Bestellung Sensoren ihr Lager verlassen und sich auf den Weg zu mir machen soll. Da sind wirklich keine Überraschungsmomente mehr dabei.

Dass medizinische Versorgung viel Geld kostet, wissen wir. Ich möchte heute aber den Blick mal kurz vom Geld abwenden und das heutige Thema der Diabetes Blog Week nutzen, um mit euch zu überlegen, was der Diabetes uns eigentlich sonst noch kostet.

Diabetes kostet mich Zeit. Ich lebe nun schon mehr als 1500 Tage mit Diabetes und habe diese Krankheit vermutlich bis zum Ende meines Lebens. An jedem dieser Tage musste ich mehrfach meinen Blutzucker bestimmen und im Auge behalten, die Kohlenhydrate meines Essens berechnen, Insulin errechnen, Insulin spritzen, oft auf Unter- oder Überzucker reagieren, meinen Alltag mit dem Diabetes abgleichen. Diabetes ist ein 24/7-Job, für den es keinen Lohn und keine Urlaubstage gibt. Diabetes hat mich schon so viele Stunden Schlaf gekostet, oder Zeit, in der ich mich wohl und gut fühlen hätte können, das glaubt ihr nicht. Er kostet nicht nur mich Zeit, sondern auch alle Menschen, die regelmäßig mit mir zu tun haben. Und diese Zeit gibt's nicht zurück, die ist einfach weg. Diabetes kostet mich Zeit.

Diabetes kostet mich Freiheit. Ich kann nie einfach so ohne Tasche mit Pens, Messgerät und Zucker das Haus verlassen. Nie. Diabetes kostet mich Freiheit.

Diabetes kostet mich Nerven und Kraft. Besonders an den Tagen, an denen es mir nicht gut geht oder an denen es mit dem Diabetes nicht so gut läuft, zieht mich der Diabetes noch viel mehr runter. Ständig denkt man an seine Krankheit, immer läuft sie im Hintergrund mit. Scheißegal, ob es gerade passt oder nicht. So kann eine schlaflose Nacht direkt noch blöder sein, weil sie einem nicht nur Schlafzeit, sondern auch die Energie für den nächsten Tag raubt. Wenn der Blutzucker einfach nicht runter gehen will und der Wecker in 3 Stunden klingelt, leert das die Batterien und raubt einem den letzten Nerv. Diabetes kostet mich Nerven und Kraft.

Diabetes kostet mich Gesundheit. 
Gesundheit ist unser wichtigstes Gut. Wenn ich mich schlecht behandle oder mich nicht gut um mich kümmere, kostet der Diabetes mich meine restliche Gesundheit. Wenn meine Blutzuckerwerte nicht passen, fühle ich mich nicht fit und leistungsfähig wie ein gesunder Mensch. Diabetes kostet mich Gesundheit.

Diabetes kostet mich Momente und Erlebnisse. Beim Sex unterzuckern macht keinen Spaß. Zwar ist es eigentlich kein Problem, trotzdem kann der Moment schnell mal davon kaputt gemacht werden. Am anderen Ende der Welt die tollste Wandertour geplant zu haben und dann will der Blutzucker einfach über Stunden vorher nicht hochgehen, sodass die Wandertour abgesagt werden muss. Scheiße. Während eines Konzertes unterzuckern und dann die Menge verlassen müssen, weil man sich so schlecht regenerieren kann, wenn um einen herum alle tanzen. Ich könnte noch tausende andere Beispiele aufzählen, in denen der Diabetes ein Arschloch sein kann. Diabetes kostet mich Momente und Erlebnisse.

Das alles und noch so viel mehr kostet mich der Diabetes und das wollte ich heute einmal mit der Welt teilen, denn grade gesunden Menschen ohne Diabetes ist oft nicht klar, was diese Krankheit für ein Leben bedeuten kann.

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Montag, 15. Mai 2017

Die Lösung ist so einfach, wie sie schwer zu ertragen ist

Das Leben läuft nach seinem eigenen Programm ab. Jeder Tag ist anders, und dennoch gibt es im Alltag Dinge, die wir (aus Routine) vorhersagen können und von denen wir wissen, dass sie passieren werden. Sowas kann uns ein gutes Gefühl geben, weil wir uns in der Routine und mit dem Wissen sicher fühlen können. Aber gerade weil das Leben nach seinem eigenen Programm abläuft, gibt es viele Dinge, die wir einfach nicht oder nur sehr bedingt beeinflussen können.

Den Diabetes zum Beispiel. Klar, bis zu einem gewissen Grad sind wir dafür verantwortlich, dass die Werte passen, dass wir alles, was wir brauchen, immer mit uns herumschleppen, bloß nichts vergessen und alles richtig machen. Aber selbst wenn wir 1000% vorbildliche Patienten wären, kann der Diabetes einem trotzdem immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen (das ist übrigens nicht nur mit dem Diabetes so, das ist das gleiche Spiel mit sämtlichen anderen chronischen Krankheiten und vor allem auch mit der psychischen Gesundheit!). Unsere Körper sind keine Maschinen und so wird aus Routine schnell mal das große unerwartete Chaos ohne Licht am Ende des Tunnels. Und was mache ich dann? Gibt es irgendwelche Tipps, wie man das schlimme Unerwartete leichter erträglich machen kann oder wie man sich für solche unerwarteten Fälle besser vorbereiten kann?


Klare Antwort: Nein. Man wächst da rein, so wie man in alles reinwächst, was einem das Leben bietet, und dann wird man hoffentlich allmählich lockerer und die Sachen werden immer einfacher.
Ich schwöre, Leute, das ist wie mit diesem "Erwachsenwerden": Früher dachte ich, dass ich mit Mitte 20 das Leben verstanden haben werde, ich alles unter Kontrolle haben werde und alles einfacher sein wird. Heute weiß ich: All die Fragen und Probleme, die mich schon immer beschäftigt haben, werden mich mein ganzes Leben lang beschäftigen, nur dass ich immer besser damit umgehen kann, weil ich dazugelernt habe und immer weiter dazulerne.
Natürlich kann ich für ein paar Stunden außer Haus für den Fall der Fälle immer zwei Ersatzpens, einen Insulinvorrat für vier Wochen und fünf Extra-Sensoren einpacken und für immer einen schweren Koffer mit mir herumtragen. Und trotzdem passiert am Ende irgendetwas total Unerwartetes, auf dass ich mich gar nicht vorbereiten konnte. Aber das ist okay! Denn daran wird nichts zugrunde gehen.

Es gab Zeiten, da haben mich solche Situationen wütend und traurig gemacht und ich wusste nicht, wie ich mit dem "Versagen" meinerseits umgehen sollte. Irgendwann habe ich auch für mich verinnerlicht, dass ich einfach nicht alles perfekt machen kann, weil ich kein Roboter bin. Ich konnte lernen, damit umzugehen, indem ich vor allem auch darüber geschrieben habe. Das war mein erster Schritt in die richtige Richtung. Und dann war alles raus und ich konnte allmählich lockerer werden, besser mit mir selbst umgehen, solche Momente nicht als versagt abstempeln und daraus lernen. Und so mache ich es auch jetzt noch.

Vielleicht klinge ich jetzt kitschig, weil ich das Folgende verinnerlicht habe. Vielleicht ist es aber auch nur ein Ergebnis dieses "Erwachsenwerdens": Alles ist ein Prozess und der Weg ist das Ziel. Vielleicht wird es auf dem Weg nebliger, aber das Lenken wird einfacher ("Life gets foggier, but steering gets a little easier" - das fand ich ein wunderschönes Bild zum Älterwerden generell, das passt aber auch hier und heute ganz gut, finde ich! Aus dem Pitchfork-Interview mit Feist im April: http://pitchfork.com/features/interview/10057-hard-feelings-a-conversation-with-feist/). Wenn wir das verstanden haben, geht's eigentlich mit dem Rest. Oder?

Habt alle eine schöne Woche!

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PS: Dieser Blogpost wurde inspiriert vom heutigen Thema der jährlichen Diabetes Blog Week von Bitter Sweet Diabetes. Ich nehme zwar nicht offiziell teil, aber habe mir dennoch vorgenommen, täglich einen Post zum Tages-Thema zu schreiben.