Dienstag, 28. Juni 2016

Ich habe keine Lust mehr, Unterzuckerungen zu verschlafen

Immer öfter habe ich in letzter Zeit nächtliche Unterzuckerungen. 2014 war das etwas, was mich häufiger aufgesucht hat. Damals habe ich sie gesehen, weil ich für kurze Zeit einen Dexcom-CGM-Sensor trug und so die Kurve beobachten konnte und ab und an nachts von dem Gerät geweckt wurde. Ich änderte etwas am Basal. Und tatsächlich - lange hatte ich die nicht mehr, wie ich seit Februar immer morgens zufrieden auf dem Display meines Flash-Glucose-Messsystems beobachten konnte. Aber, wie gesagt, in letzter Zeit besuchen sie mich wieder häufiger, und so richtig habe ich den Grund dieses Mal noch nicht herausfinden können.

Ich hasse Unterzuckerungen.

Unterzuckerungen sind eigentlich das, was ich am aller meisten zu vermeiden versuche. Denn für mich gibt es (bisher) kein schlimmeres Gefühl. Ich kann stundenlang mit zu hohen Werten durch die Gegend laufen, aber eine Unterzuckerung geht gar nicht, macht mir Panik und lässt mich in einen Überlebens-Modus verfallen. Und das passiert im Moment halt leider zu oft für meinen Geschmack. Letzte Nacht bin ich um halb 4 wirklich wach geworden, weil ich endlich kapierte, was los war, nachdem ich etwa eine Stunde lang zitternd in einer Art Dämmermodus halb wach lag. Ich nahm mein Messgerät. 50mg/dl zeigte es an. So tief war ich lange nicht. Es fühlte sich allein deshalb noch beschissener an. Ich stand auf, ging in die Küche und begann zu essen und zu trinken, weil ich wie in Trance nur Überleben als Ziel hatte. Apfelmus, Schokoriegel, Brote, Milch mit flüssigem Zucker. Dann wieder ins Bett, als es sich endlich besser anfühlte und das Zittern weg war. Wieder eingeschlafen, zum Glück.
Heute morgen fühlte ich mich wie vom Laster überfahren. Klar, ich muss ewig mit der Unterzuckerung dagelegen haben, und das ganze nächtliche Überlebens-Essen steckt der Körper auch nicht so einfach weg.

Jetzt zum CGM wechseln?

Müde bin ich immer noch - oder schon wieder? Ich bin einfach Geräte leid, die sich nicht meinem Leben und meinen Bedürfnissen anpassen, wie das bei einer chronischen Krankheit im Jahre 2016 langsam der Fall sein sollte. Das große, alte Thema. Ich war ziemlich nachdenklich heute. Nach dem positiven Entscheid zum Thema CGM vor zwei Wochen überlege ich im Moment hin und her. Soll ich weg vom Flash-Glucose-Messsystem und versuchen, einen Antrag zum CGM bei meiner Krankenkasse durchzubekommen? Macht das Sinn? Immer öfter ärgert mich das Flash-Glucose-Messsystem im Moment. Alles ist ausbaufähig. Das Pflaster hält bei mir einfach nicht so gut, grade jetzt im Sommer. Und einen fast abfallenden Sensor knapp zwei Wochen künstlich mit Tape am Arm zu fixieren macht auf Dauer einfach keinen Spaß. Es nervt. Es macht müde. Und das System weckt mich nicht. Stattdessen liege ich
stundenlang nachts im Dämmermodus im Bett und realisiere erst (aber zum Glück irgendwann) nach Ewigkeiten, was los ist.

Meckere ich auf zu hohem Niveau oder steht es mir zu, das jetzt zu versuchen? Was sind eure Gedanken dazu?

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Montag, 20. Juni 2016

diabetes and the city

Moin!

Vielleicht habt ihr es schon auf den gängigen Social-Media-Kanälen mitbekommen, vielleicht habt ihr sie im Heft entdeckt und ich konnte euch so überraschen: Ich habe seit der aktuellen Ausgabe meine eigene regelmäßig erscheinende Kolumne im Diabetes-Journal! Sie heißt diabetes and the city und ich schreibe dort über (mein) junges Leben mit Diabetes Typ 1 in einer großen Stadt. Die Themen sind breit gefächert, ähnlich wie hier, vielleicht hier und da mit etwas praktischerem Bezug.
Ich freu mich jedenfalls wie Bolle über diese großartige Möglichkeit, für ein so rennomiertes und viel gelesenes Heft wie das Diabetes Journal schreiben zu dürfen. Es ist mir eine Ehre! Ich hoffe, meine Texte stellen eine Bereicherung dar für das vielfache und immer außerordentliche Angebot im Heft. Außerdem freue ich mich über die erneute Möglichkeit zum direkten Kontakt mit einer großartigen Redaktion! Das Diabetes Journal erscheint immer am Ende eines Monats und liegt in vielen größeren Zeitschriftenläden aus. Vielleicht habt ihr das Heft bereits im Abo, vielleicht findet ihr es bei eurem Lieblingskiosk und schaut mal rein - ich würde mich freuen! :)




Montag, 6. Juni 2016

Über Ernährungsbesserwisser, Bananenbrot und wieso ich es trotzdem esse

Mein Rezept für Bananenbrot war mein erstes, selbst kreiertes und funktionierendes Backrezept. Stolz wie Bolle war ich, als ich letztes Jahr das Rezept niederschrieb. Dennoch wunderten sich Leute. Krass, das isst du? Ist das nicht viel zu viel Zucker? Ich frage mich wirklich immer wieder, warum so viele Menschen Angst vor Zucker haben und wie Menschen, die sich scheinbar selbst "irgendwie" zum Beispiel nur mit Low-Carb-Ernährung in Kombination mit Diabetes auseinander gesetzt haben, Zucker so verurteilen können, als hätten sie da einen Tunnelblick drauf und alles andere existiert plötzlich nicht mehr.

Warum verurteilen wir uns permanent gegenseitig?

Natürlich werde ich krank, wenn ich jeden Tag 5Kg Raffinadezucker esse. Aber wieso will jeder von uns immer Recht haben und denkt, die eine eigene Lösung ist die Beste für alle? Wir sagen doch selbst immer, dass wir keine Maschinen sind. Und dann widersprechen wir uns doch wieder. Wenn es um Ernährung geht, soll sich plötzlich jeder Mensch das gleiche in den Mund schieben.
Habt ihr euch mal genauer mit den Funktionen von Zucker in unserem Körper beschäftigt? Habt ihr euch angeschaut, wie gut Menschen zum Beispiel mit einer High-Carb-Low-Fat-Ernährungsweise leben oder wie viel besser es manchen geht, wenn sie außschließlich Obst und Gemüse zu sich nehmen (ich verweise an dieser Stelle auch immer gerne an den Mindful Diabetic Robby)?

Mit der Ernährung ist es wie mit dem Reisen

Erweitert euren Horizont. Nicht jede Lebensweise ist für jeden geeignet. Hört auf, eure Sichtweise auf andere Menschen in völlig anderen Lebenssituationen übertragen zu wollen. Zeigt nicht immer mit erhobenem Finger auf andere. Kehrt vor eurer eigenen Haustür. Informiert euch, wie andere Menschen in aller Welt sich ernähren. Und bleibt höflich, verdammt nochmal!
Mit dem Wissen über Ernährung ist es ein wenig wie mit dem Reisen. Wer viel in verschiedene Orte der Welt reist, lernt andere Kulturen kennen und wird aufgeschlossener und toleranter anderen Lebensweisen gegenüber. Wer sich mit dem Thema Ernährung beschäftigt, beginnt zu verstehen, dass auch hier nicht ein Weg der richtige für alle ist und findet vielleicht neue Lösungen für alte Probleme. Erinnert ihr euch noch daran, was ich immer sage? Wir sind keine Maschinen, wir sind Menschen. Jeder von uns ist anders, wir sind alle Individuen und jeder Typ-1-Diabetiker hat einen anderen Diabetes. Jeder Körper ist anders und daher können wir nicht alle gleich trainieren, können besser oder schlechter mit Stress umgehen, als andere oder reagieren anders auf verschiedene Ernährungsweisen.

Meine Lösung: Bewusstes essen

Ich habe für mich festgestellt, dass ich in meinem Alltag mit auf mich zugeschnittener bewusster High-Carb-Low-Fat-Ernährung am besten zurecht komme. Es tut mir gut. HCLF bedeutet vegan, viel Reis, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte. Das schaffe ich mal mehr, mal weniger. Mache mir da aber auch keinen Druck. Zwischendurch gibt es mein geliebtes Rührei, oder eben Bananenbrot, wenn die Bananen so dunkel und weich sind, dass sie beinahe triefen. Aber alles bewusst. Unterwegs oder am Wochenende gibt es alles Mögliche. Ich folge hier auch keinem strikten Ernährungsplan, sondern versuche einfach auf meinen Körper zu hören. Wenn ich unter der Woche für mich koche, ist es oft simpel. Ich möchte mein Gemüse nicht überwürzen und meine Geschmacksknospen austricksen. Ich möchte schmecken, wie die Kartoffel oder die Tomate schmeckt.  Simpel ist hier mein Trick. Was gibt mir die Meiste Energie? Was wird gut verdaut? Was klappt vielleicht auch mit dem Blutzucker am Besten? Das alles immer unter der Prämisse, mir nichts zu verbieten oder mir keine allzu großen Gedanken um Essen zu machen. Essen soll Freund sein, nicht Feind.

Ab und an empfiehlt es sich auch, mal in anderen Landesküchen vorbeizuschauen. Im Moment koche ich viel koreanisch vegan (Reis, Kimchi und großartig zubereitetes Gemüse) oder israelisch! Das inspiriert für die eigene Küche und öffnet zusätzlich nochmal die Augen.

Das alles ist aber nur MEINE Lösung. Bei euch und eurem Alltag in Kombination mit dem Diabetes könnte es schon wieder ganz anders aussehen. 
Hört auf, mit dem Finger auf andere zu zeigen, nur weil sie sich anders ernähren, als ihr. Informiert euch. Seid aufgeschlossen und hört auf euren Körper. Kehrt vor eurer eigenen Haustür. Kocht und esst mit BEWUSSTSEIN! Und dann backe ich euch vielleicht auch mal ein Bananenbrot.

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Freitag, 3. Juni 2016

Wir müssen keine Freunde sein, nur weil wir beide Diabetes haben

Es tut wahnsinnig gut, Menschen kennen zu lernen, die Typ-1-Diabetes haben. Die verstehen einen einfach noch besser als jeder andere gesunde Mensch, dem man eben immer und immer wieder nur erklären kann, wie es sich anfühlt, der es aber nie wirklich exakt nachfühlen kann. Das ist wie Menschen treffen, die die gleiche Sehschwäche haben, nur seltener.

Letzte Woche bemerkte ich mal wieder eine Frau, der ich auf Twitter folgte, in meiner Timeline. Sie lag im Krankenhaus mit dem Verdacht auf Typ 1. Ich schrieb ihr direkt und wir tauschen uns seit dem aus. Sie kann mir Fragen stellen, ich beantworte sie. Sie kann mir von ihren Erlebnissen berichten und ich denke nochmal zurück an meine eigenen ersten Wochen mit Diabetes. Ein wirklich komisches Gefühl macht sich seitdem in meinem Bauch breit und zieht alles in mir zusammen. Ein Gefühl, welches mir Tränen in die Augen treibt, während ich diese Zeilen schreibe.

In den letzten 3 1/4 Jahren habe ich enorm viele Menschen mit Typ-1-Diabetes kennen lernen dürfen. Ich verstehe das als absolutes Privileg. Viele von ihnen traf ich erstmal nur online, einige dann tatsächlich auch in der "echten" Welt, nur wenige davon mehrfach. Einige wenige auserwählte nenne ich heute Freunde. Denn nur, weil wir alle Typ-1-Diabetes haben, müssen wir uns nicht vorspielen, dass wir deswegen alle auch automatisch sofort Freunde sind. 

Jetzt mal ernsthaft

Ich bin auch nicht mit jedem direkt gut befreundet, der Essen liebt. Oder der einfach nur da ist, so wie ich. Wenn es so einfach wäre, hätte jeder von uns tausende Freunde an der Backe. Freundschaft ist für mich aber etwas Tieferes. Wenn wir befreundet sind, helfe ich dir aus der Scheiße. Ich biete dir Tag und nacht mein Ohr an und heule dir die Ohren voll. Ein geben und nehmen. Ich koche alles für dich, ich bringe dir Kekse mit, oder Blumen. Ich lache und weine mit dir und ich will Dinge aus deinem Alltag erfahren und mit dir in Kontakt sein. Regelmäßig sehen müssen wir uns dafür nicht. So weit kommen allerdings nur wenige. Manche davon haben Typ 1. Andere nicht. Aber eigentlich ist das egal. Denn ein gemeinsamer Typ 1 ist kein Garant für eine funktionierende Freundschaft.
Und nur, weil wir die gleiche chronische Krankheit haben und einander in dieser Hinsicht gut verstehen, heißt das nicht, dass wir automatisch Freunde sein müssen.

Inzwischen kann ich ganz gut unterscheiden, was echte Freundschaft ist und was nicht. Das hat Jahre gedauert. Und auch, wenn es mir immer wieder schwer fällt, zu akzeptieren, dass jemand, den ich für einen potentiellen Freund gehalten habe, dies vielleicht doch nicht ist, akzeptiere ich es inzwischen und schraube einen Gang zurück. Umso stärker wiegen die Freundschaften, die wirklich echt sind und es auch über längere Zeit aushalten, Freundschaft zu bleiben.

Alles andere ist und bleibt Austausch mit Gleichgesinnten. Realistisch bleiben. Nur weil wir auf Facebook befreundet sind, sind wir noch lange keine Freunde. Und wo keine Freundschaft ist, muss man sich keine schauspielern.

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