Dienstag, 5. November 2019

Tag 5 - Am Arm

"Diese Sensoren sollten übrigens am Bauch getragen werden, nicht am Arm."
"Du bist selbst Schuld, wenn du deine Sensoren so sichtbar am Arm trägst, dass du damit solche Reaktionen provozierst." 
"Du bettelst damit geradezu um Aufmerksamkeit."

Ich bin der aktuellen Sensortechnik wirklich dankbar (auch wenn da immer Luft nach oben ist!) und kann mir ein Leben ohne CGM-System aktuell nicht vorstellen. Und ja, ich wiederhole mich aber finde wichtig zu betonen: Ich bin mir bewusst, aus welcher überaus privilegierten Situation ich das sage. 

Ich kann Sätze wie die oberen aus den eigenen Reihen wirklich nicht mehr hören. Menschen schicken mir teilweise ellenlange Mails nur um mir zu sagen, dass es falsch ist, dass ich meine Sensoren am Arm trage. Oh, diese Zeit und Energie möchte ich haben! Ja, mein Sensormodell ist offiziell nur für den Bauchbereich zugelassen, danke für die Info, wusste ich noch gar nicht (Ironie aus)! Das liegt aber vor allem daran, dass weitere Studien zu weiteren Körperteilen immer mehr Geld und Zeit kosten und daher nicht durchgeführt werden. Also forscht man an einer Stelle des Körpers und ist fein raus. 

Meine Sensoren funktionieren (wenn sie denn funktionieren) für mich aber am Besten am Oberarm, glaubt mir doch bitte endlich. Im Bauchbereich drücken meine Hosen, im Winter besonders auch die Strumpfhosen extrem ungut dagegen. Ich reiße mir öfter Sensoren ab beim An- und Ausziehen. Mein Bauch oder meine Oberweite drücken beim Sitzen unbequem auf den Sensor, je nachdem wo und wie er in der Bauchgegend sitzt. Also trage ich ihn seit Jahren am Arm und bin damit glücklich, auch wenn er dort nie offiziell zugelassen wurde. 

Am Arm kann ich ihn fast vergessen. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass der Diabetes jeden Tag zahlreiche Entscheidungen von mir will und ich eigentlich ständig an ihn denke. Er sitzt dort seine Tage ab und wird eigentlich nicht bei der Arbeit gestört. 

Ja, manchmal blitzt er unter dem T-Shirt-Ärmel hervor oder zeichnet sich unter einem dünnen Langarmshirt ab. Im Sommer trage ich sogar gelegentlich Oberteile ohne Ärmel oder sogar Bikinioberteile - oh je - andere Menschen sind dann dem Anblick hilflos ausgesetzt! Ich trage den Sensor am Arm, weil es für mich dort am praktischsten und am bequemsten ist. Nicht, um Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Wenn ich könnte, würde ich dem Diabetes nämlich am Liebsten überhaupt keine Aufmerksamkeit schenken, von niemandem. Geht aber nicht. Und wenn mich deswegen jemand unsensibel, verletzend und ohne einen Funken Empathie von der Seite anquatschen will, ist auch das nicht meine Schuld. Ich versuche hier nur mein Leben mit Diabetes zu leben, und zwar so angenehm wie es eben möglich ist.





Und ja - ich zeige den Sensor am Arm, ich spreche bewusst darüber, ich fotografiere die Setzstelle und poste das Foto auf Instagram, denn: Ich möchte nicht, dass es Menschen da draußen gibt, die womöglich mit ihren Sensoren unzufrieden sind und daran verzweifeln - weil sie Schmerzen damit haben, weil sie die Sensoren ständig abreißen, weil sie ungenaue Werte anzeigen - und denen vielleicht geholfen wäre, wenn sie wüssten, dass andere auch erst mit anderen Setzstellen glücklicher geworden sind, auch wenn es ganz klar off-label Benutzung ist und das beispielsweise Diabetesberater_innen so nie vorschlagen dürften. Nochmal: offiziell zugelassen ist das Tragen am Arm bei meinem Sensor nicht (es gibt andere Sensoren, bei denen es wieder anders ausschaut).

Wenn ihr Sensoren tragt, dann packt sie hin, wo es sich für euch bequem anfühlt und auch funktioniert! Jeder Mensch mit Diabetes ist anders, jeder Körper ist anders und was für eine Person gut klappt, muss für die nächste nicht genauso toll sein. Dafür sind wir hier, damit wir uns austauschen können. Ich habe schon viele gesehen, die ihre Sensoren am Oberschenkel tragen. Das mag ich zum Beispiel gar nicht gerne, aber freue mich für jede Person, die dort eine für sich gute Setzstelle gefunden hat. Bitte bevormundet andere nicht. Ihr würdet euch doch auch nicht einfach in jemandes Kindererziehung einmischen, nehmt es mit dem Diabetes bitte genau so. Für jede von uns läuft die Therapie anders ab und das ist okay. Ich warte leider noch sehnsüchtig auf den Tag, an dem das endlich großflächig akzeptiert wird. 

Bis dahin!


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2 Kommentare:

  1. Mein Vater hatte seine Sensoren als er sie das erste mal bekommen hat auch am Arm getragen(auch so gedacht). Nach einiger Zeit ging es im aber auf die Nerven das sie immer wieder abgefallen oder sich gelöst hatten. Darauf hatte er sie sich die Sensoren an den Bauch gehängt( nicht so vorgeschrieben). Bis jetzt ist er damit zu frieden und sie funktionieren immer noch toll.

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  2. Keep on writing, great job!

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