Freitag, 3. November 2017

ENDLICH!

Leute, ich schreibe diesen Text während einer Arbeitspause in der Bibliothek. Wie ihr sicher wisst, ist am 14.11. der Weltdiabetestag und in jedem Jahr hat dieser ein großes Überthema. Da ich das Thema dieses Weltdiabetestages noch nicht kannte, wollte ich kurz auf der Website nachschauen und wurde sehr positiv überrascht!

"Frauen und Diabetes - unser Recht auf eine gesunde Zukunft"

Poster von www.weltdiabetestag.de

Ich könnte gerade ein paar Freudensprünge machen, aber ich sitze in einer mucksmäuschenstillen Bibliothek. Wie passend! Wirklich, es ist an der Zeit, diesem Thema endlich die Aufmerksamkeit zu geben, die es braucht! Auf der Website steht: "Alle Frauen mit Diabetes benötigen einen erschwinglichen und gerechten Zugang zu Pflege und Bildung, um ihren Diabetes besser zu bewältigen und ihre Gesundheitsergebnisse zu verbessern." Ja, so ist es! Aber warum ausgerechnet Frauen, fragt ihr euch vielleicht an dieser Stelle? Vielleicht helfen euch da ein paar Fakten und Forderungen, die ihr ebenfalls auf der Website nachlesen könnt:

Frauen weltweit benötigen erschwinglichen und gerechteren Zugang zu Pflege und Bildung, Insulin und Technologie, um den Diabetes besser bewältigen zu können. Derzeit leben über 199 Millionen Frauen mit Diabetes auf unserer Erde. Zwei von Fünf Frauen sind im forpflanzungsfähigen Alter (Thema Diabetes und Menstruation! Thema Diabetes und Schwangerschaft! Thema Diabetes und Wechseljahre!). Frauen mit Typ-2-Diabetes haben fast 10-mal häufiger eine koronare Herzkrankheit als Frauen ohne. Frauen mit Typ-1-Diabetes haben ein erhöhtes Fehlgeburtenrisiko. Wir leben immer noch in einer Welt, in der (wenn überhaupt vorhanden!) Gesundheitssysteme nicht auf die spezifischen Bedürfnissen von Frauen mit Diabetes achten und nicht darauf eingehen. Alle Frauen mit Diabetes müssen Zugang zu essentiellen Diabetesmedikamenten- und Technologien erhalten, genügend Informationen fürs Selbstmanagement bekommen und können nur so optimale Ergebnisse in ihren Therapien erzielen! Eine Schwangerschaft mit Diabetes ist sowieso schon eine Risikoschwangerschaft. Schwangere müssen - sowieso schon - auf so viele Dinge achten. Es muss gewährleistet werden, dass schwangere Frauen mit Diabetes Zugang zu Vorsorge, Pflege und Bildung bekommen, um für die eigene Gesundheit und die des ungeborenen Kindes sorgen zu können! Beschäftigte im Gesundheitswesen müssen zum Thema Diabetes geschult sein, um die Frauen besser Informieren zu können und sie nicht alleine zu lassen. Thema Gewicht und Körper... UNDUNDUND. Leute! Es gibt so viel zu tun und es freut mich so unglaublich, dass der Weltdiabetestag sich in diesem Jahr um diese Themen drehen wird, denn das war überfällig. Hoffentlich können damit weite Kreise gezogen und langfristig etwas bewirkt werden!

Im Rahmen des diesjährigen Weltdiabetestages und des Themas "Frau und Diabetes" möchte ich heute dazu aufrufen, dass ihr mir, wenn ihr möchtet, eure Geschichten zum Thema schicken könnt. Ich würde dann - mit eurem Einverständnis und natürlich anonymisiert -  eine Auswahl im Laufe des Monats hier auf meinem Blog veröffentlichen, um noch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Lustig, emotional, wütend, alles ist erlaubt! Diabetes und Frauen in anderen Ländern, Diabetes und Wechseljahre, LGBTQIA+ Menschen mit Diabetes (Thema Gesundheitssystem etc.), Schwangerschaft und Geburt mit Diabetes, Hypoglykämie als Frau mit Diabetes, Menstruation und Diabetes, Mutter sein und Diabetes, Mutter und Tochter mit Diabetes, Frau und Diabetes... Wenn ihr eine Geschichte zum Thema habt und ihr die Kraft habt, diese zu erzählen und mit uns zu teilen, schreibt mir gerne an icaneateverything @ web . de ! 

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Mittwoch, 1. November 2017

Re: Die Kurve nach der Pizza

Liebe Leute!

Es ist November, der Weltdiabetestag ist um die Ecke. Aber darum soll es heute und hier (noch) nicht gehen. Vergangene Woche postete ich ein Bild auf meiner Blog-Facebookpage und auf Instagram. Es zeigte mein Sensor-Messgerät und eine relativ gerade Linie auf dem Display. Dazu die Zahl 123, welche meinen damaligen Nüchternwert beschrieb. Am Abend zuvor gab es relativ spät Pizza bei mir. Ob die jetzt aus einer Pappverpackung kam, wie jemand unter dem Bild mutmaßte, ob ich sie unterwegs irgendwo im Gehen gegessen habe oder ob ich eben einfach spät abends noch in einem italienischen Restaurant saß, ist an dieser Stelle übrigens wirklich total egal. Fakt ist: Es gab Pizza und das zu relativ später Stunde. Eigentlich mein Absoluter Endgegner, vor allem in dieser Kombination. Vielleicht sogar der Endgegner von vielen von uns. 'Ne Menge Kohlenhydrate, aber auch ein fettiger, eiweißhaltiger Belag sorgen dafür, dass jede Pizza anders zu berechnen ist und jeder von uns selbst jedes Mal neu austarieren muss, wie er sie am ehesten behandelt, um nicht mit schwindelerregend hohen Werten aus dem Ganzen heraus zu kommen.


Egal ob auf Instagram oder auf Facebook, als Kommentar oder Nachricht, eure Reaktionen waren ungefähr gleich: Wie machst du das? Was ist dein Geheimrezept? Wie spritzt du für Pizza?

Eines vorab: Ihr glaubt doch hoffentlich nicht, dass das immer so aussieht bei mir, weil ich euch ein Mal ein tolles Bild meiner Kurve gezeigt habe (weil ich extrem stolz darauf war)? Ich wünschte zwar, dass ich jede Pizza so toll meistern könnte, in der Realität sieht es aber leider oft anders aus. Denn, wie schon gesagt (und es tut mir leid, wenn ich damit jetzt einige Diabetesneulinge demotivieren sollte, aber): Jede Pizza ist anders. Alle Pizzen sind unterschiedlich groß, haben unterschiedlich dicken Boden, sind belegt mit unterschiedlich viel Käse und sonstigen Zutaten und haben teilweise auch Zucker in der Tomatensoße. Von der Pappverpackung einer TK-Pizza bekommt man ja immerhin noch die Nährwerttabelle gratis dazu, aber die Pizza vom Imbiss oder aus dem Restaurant hat diese leider nicht in die obenauf gedruckt. Dazu gesellt sich mein jeweiliger eigener aktueller Zustand. Denn auch, wenn viele DiabetologInnen und DiabetesberaterInnen Menschen mit Diabetes am liebsten immer noch gleich und nach Schema F behandeln wollen, wissen wir, dass eben nicht nur Ernährung und Sport eine große und wichtige Rolle in der Therapie spielen und wir eben nicht alle gleich sind. Meine eigenen Erfahrungen und die, die andere Menschen mit Diabetes mit mir geteilt haben, sprechen Bände. So viel mehr muss bei der modernen Therapie heutzutage beachtet werden. Nicht umsonst arbeiten viele Menschen zum Glück inzwischen daran, Therapie zu individualisieren. Wie habe ich mich die letzten Tage ernährt, wie waren meine Werte über die letzten Tage, wie insulinempfindlich bin ich deswegen im Moment und wo in meinem Zyklus befinde ich mich eigentlich gerade? Das alles sind auch Dinge, die eigentlich im Alltag beachtet werden müssen, damit eine gute Therapie gewährleistet werden kann. Und jetzt mal Hand aufs Herz: Wer trackt das alles im Alltag und schafft es, all diese Dinge in seiner Therapie unter einen Hut zu bringen und trotzdem noch ein Leben zu haben?

Aber nochmal zurück zu dem, was ich eigentlich sagen wollte: Puh, Leute! Fragt mich bitte nie nach Spritz-Anleitungen! Ich dachte wirklich, wir sind darüber hinaus. Ich habe nie verstanden, wie Menschen mit Diabetes sich im Internet unter Bildern von Kuchen oder Pizza erzählen, wie viel sie dafür jeweils spritzen würden und andere das teilweise einfach so leichtsinnig übernehmen. Leute, das kann ganz schnell gefährlich werden! Macht euch das bitte bewusst. Das sind Dinge, die ihr zum Beispiel mit euren DiabetologInnen und DiabetesberaterInnen besprechen könnt, wenn sie euch im Alltag bewegen. Fragt sie beim nächsten Besuch, was sie euch zum Thema Pizza raten können, erzählt von euren Erlebnissen und tastet euch dann immer wieder ran. Aber ich bin keine Diabetologin. Ich kenne mich mit meinem eigenen Diabetes ganz gut aus, wage ich jetzt zu behaupten. Aber euer Diabetes ist nicht meine Baustelle.

Dieses Bild habe ich nicht gepostet, um darunter zu erzählen, wie genau ich für welche Pizza gespritzt habe. Denn das bringt einfach schlichtweg niemandem von euch etwas und kann sehr gefährlich sein! Ich habe es gepostet, weil ich stolz darauf war, dass mein Plan aufgegangen ist und ich das mit der Welt teilen wollte. Weil ich damit vielleicht etwas in euch bewegen wollte, ihr euch möglicherweise deswegen mal mit dem Thema Blutzuckerspitzen nach Pizza beschäftigen wollt oder mal wieder (mit eurer DiabetologIn) an eurer eigenen Therapie tüftelt, damit eure eigenen Werte so aussehen können. Weil ich Gleichgesinnte finden wollte, denen es mit Pizza ähnlich geht, die sich über solche Kurven auch freuen können, die sich für mich mit mir freuen, die ähnliches berichten können. Das ist für mich der Sinn hinter diesem Blog, und auch hinter jedem Bild oder Text, den ich poste. Stichwort Community.

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Sonntag, 22. Oktober 2017

Dieses Thema lässt mich nicht mehr los!

An diesem vergangenen Wochenende war ich zu Gast beim allerersten deutschsprachigen Diabetes-Barcamp, veranstaltet von der Blood Sugar Lounge, für die ich ja auch regelmäßig schreiben darf. Ein Barcamp ist eine sogenannte Un-Konferenz und das Konzept des Barcamps wird seit vielen Jahren von den unterschiedlichsten Interessengruppen für offenen Austausch und Vernetzung genutzt. Die Themen und Sessions eines Barcamps werden im Gegensatz zu klassischen Konferenzen nicht im Voraus von den Veranstaltern geplant und festgelegt. Dafür ist es ausdrücklich gewollt und erwünscht, dass die Teilnehmer Session-Ideen zu Beginn des Barcamps selbst vorstellen und dann zusammen mit allen Teilnehmern am Morgen des Barcamps das Programm entstehen kann. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Themen an die Tagesordnung kommen, die die Community wichtig findet und die uns am Herzen liegen. 

Teil des großen Ganzen

Natürlich wünschte ich mir unbedingt ein Teil dieser großartigen Sessions zu werden und mit Leuten über ein mir wichtiges Thema ins Gespräch zu kommen, um zu sehen, ob es anderen auch so am Herzen liegt. Ich habe mir also im Vorfeld unfassbar viele Gedanken zu möglichen Session-Themen gemacht, die ich gerne in diesem Rahmen anbieten möchte und schnell festgestellt, dass ich tatsächlich viele Anliegen habe, die ich in die Welt hinaustragen möchte und zu denen ich mir einen Dialog wünsche. Letzten Endes habe ich mich für das Thema Diabetes und Zyklus entschieden, weil ich finde, dass dieses große und vielschichtige Thema nach wie vor komplett unterrepräsentiert wird. Ich nannte meine Session „(Bloody) Hell?! - Diabetes und Zyklus“ und stellte sie ungefähr so vor: „Ein Thema, welches mir persönlich sehr am Herzen liegt und welches meiner Meinung nach leider komplett unterrepräsentiert wird. Diabetes und Zyklus, Diabetes und Hormone, Diabetes und Schwangerschaft, Wechseljahre… welchen Einfluss haben all diese Dinge auf unseren Blutzucker und wie unterscheiden sich oder helfen uns unsere Erfahrungen? All das möchte ich gerne mit euch diskutieren!“


Und dann ging's los!

Meine Session sollte um 12.00Uhr beginnen. Schnell füllte sich der Raum und ich habe mich sehr gefreut, dass das Thema doch für so viele spannend und wichtig zu sein scheint. Ich begann zu erzählen, warum mir dieses Thema überhaupt so am Herzen liegt: Vor genau einem Jahr habe ich die Pille abgesetzt. Das hatte verschiedene Gründe: Ich wollte keine Hormone mehr zu mir nehmen und wollte einen natürlichen Zyklus haben, außerdem habe ich immer öfter von Depressionen in Verbindung mit der Pille gelesen und da dies für mich die letzten zwei Jahre auch Thema war, hat es mich nachdenklich gemacht und ich wollte es einfach einmal ausprobieren. Zu Beginn hatte ich mir eigentlich gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht, was das wohl für meinen Blutzucker bedeuten könnte. Denn mit Pille hatte der Diabetes quasi keinerlei Einfluss auf meinen Zyklus. In diesem Jahr ohne Pille hat sich aber nun tatsächlich einiges getan. Jeder Zyklus war anders, ich habe sie alle aufgezeichnet. Und auch der Blutzucker hat massiv auf alle Veränderungen während eines Zyklus reagiert - mal mehr, mal weniger. Alles, was ich bei dem einem Zyklus im Bezug auf meinen Blutzucker gelernt habe, konnte ich bei dem nächsten schon nicht mehr anwenden und umgekehrt. Nun ist meine Diabetologin keine Gynäkologin und meine Gynäkologin keine Diabetologin (so ist es bestimmt bei allen von euch der Fall), es gibt aber auch niemanden, der beide Themen komplett miteinander verknüpfen kann und die Schnittmenge dieser Gebiete bildet, um mich dahingehend zu beraten. Ich habe versucht, im Internet Infos zum Thema zu bekommen, aber viel öffentlich wird leider (noch!) nicht gesprochen. Und hier geht es „nur“ um das Thema Zyklus. Bei den Themen Diabetes und Schwangerschaft oder Diabetes und Wechseljahre, die mich momentan zwar beide nicht akut betreffen, über die ich mir aber doch ab und an Gedanken mache, weil sie mir beide irgendwann in meinem Alltag begegnen können, gibt es noch viel, viel weniger und das leider verbunden mit sehr viel Panikmache. 

Eines der Probleme, die sich aus der Diskussion an diesem Tag herauskristallisiert haben ist, dass der Zyklus bei jedem von uns anders Einfluss auf den Blutzucker nimmt. Das ist jetzt tatsächlich auch nichts gewesen, was mich massiv überrascht hat, schließlich sind wir einfach keine immer gleich funktionierenden Maschinen, egal ob beim Diabetes an sich oder bei dem, was auf den Diabetes einen Einfluss haben könnte. Warum aber wird über dieses komplexe Thema so wenig öffentlich berichtet? Egal, ob in Verbindung mit Diabetes oder alleinstehend, die Themen Zyklus, Menstruation, Schwangerschaft und Wechseljahre sind einfach nicht dauerhaft im öffentlichen Diskurs. Menstruation und alles, was damit zusammen hängt, ist immer noch ein „ekelhaftes“ Tabuthema. Schwangere sollen happy sein, aber es wird ihnen immer schwerer gemacht (Stichwort Hebammen, Krankenhäuser etc.) und am besten sollen sie auch bloß nicht öffentlich stillen. Die Wechseljahre werden höchstens dazu benutzt, blöde Witze zu reißen, wenn überhaupt mal darüber gesprochen wird. Und ich finde, das kann alles nicht mehr sein. Es ist 2017. Diese Themen sind Alltag für so viele, warum können wir die Probleme dann nicht WIRKLICH öffentlich besprechen? 

Ohne euch geht nix!


Ich kann behaupten, dass mit der Session nun ein Anfang gemacht ist und ich habe schon einige Ideen für die Nachbereitung in der Zukunft und darüber bin ich sehr froh. Die Stimmung im Raum war toll, wir haben rege diskutiert, waren respektvoll im Umgang miteinander und konnten uns wirklich sehr gut austauschen (obwohl die Zeit natürlich viel zu knapp war!). Danke nochmal an alle, die mit dabei waren und diese Session zu etwas für mich sehr Besonderen gemacht haben! Trotzdem - ohne euch alle da draußen gibt es da kein Weiterkommen. Was sind eure Erfahrungen zu Diabetes und Zyklus, Menstruation, Schwangerschaft oder Wechseljahren? Schreibt mir gerne!

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